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Straßburg. Rheinische Nationaloper. 10. und 12. IV. 2021. Benjamin Britten (1913-1976): Tod in Venedig, in zwei Akten nach einem Libretto von Myfanwy Piper, basierend auf Thomas Manns Roman Der Tod in Venedig. Regie, Bühnenbild und Kostüme: Jean-Philippe Clarac und Olivier Deloeuil. Zusammenarbeit bei Beleuchtung und Szenografie: Christophe Pitoiset. Video: Pascal Boudet. Dramaturgie: Luc Bourrousse. Darsteller: Toby Spence, Gustav von Aschenbach; Scott Hendricks, der Reisende / der alte Dandy / der alte Gondolier / der Hotelmanager / der Hotelfriseur / der Kopf der Balladen / die Stimme des Dionysos; Jake Arditti, Die Stimme von Apollo; Peter Kirk und Curtain; Laurent Deleuil, der English Reiseagent / ein Steward / u Boat Lido / u Kellner; Julie Goussot, die französische / englische / Erdbeerverkäuferin / Spitze / Baladine; Dragos Ionel, der polnische Vater / der russische Vater / der Kellner / ein Gondoliere / der Priester; Damian Arnold, ein amerikanischer Glasbläser / u / ein Gondolier / u Baladin; Elsa Roux Chamoux, die französische Mutter / die russische Mutter / die Bettlerin; Eugenie Joneau, deutsche Mutter/dänische Ehefrau/Zeitungshändlerin; Damien Gastl, Deutscher Vater/Führer; Sebastien Park, ein Amerikaner/Gondolier; Violeta Poleksic, das russische Kindermädchen; Victor Chudzic, Kind von Tadzio; Nathan Laliron, Teenager von Tadzio. Chor der Opéra national du Rhin (Chormeister: Alessandro Zuppardo), Orchestre symphonique de Mulhouse, Dirigent: Jacques Lacombe Show ohne öffentliche Übertragung auf dem Kanal Via Vosges und auf dem Gelände der Opéra du Rhin
Brittens „Tod in Venedig“, der letzte Februar in Straßburg aufgenommen und selten gespielt wurde, von einer prächtigen Ideeninszenierung voller und einer nahezu idealen musikalischen Interpretation.
Bei ihrer Uraufführung in Straßburg wird Benjamin Brittens Oper aufgrund der anhaltenden Coronavirus-Pandemie leider nicht öffentlich aufgeführt. Glücklicherweise haben Ozango Production und France Télévisions es aufgenommen, auf lokalen Sendern ausgestrahlt und es dann einen Monat lang auf der Website der Opéra national du Rhin verfügbar gemacht. Es wäre schade gewesen, die faszinierende Inszenierung des Teams um Jean-Philippe Clarac und Olivier Deloeuil mit außergewöhnlicher Gedankentiefe und Produktionsqualität zu verlieren.
Das Libretto von Myfanwy Piper folgt getreu der Kurzgeschichte von Thomas Mann in einer Folge von siebzehn kurzen Szenen an verschiedenen Orten. Um eine perfekte Fließfähigkeit zu gewährleisten, haben Jean-Philippe Clarac und Olivier Deloeuil den Bühnenraum in einer Masse von Zellen mit wechselnden Dekorationen unterteilt, die durch Laufstege oder Treppen verbunden und durch mobile Bildschirme sehr präzise und anschließend detailliert sichtbar gemacht wurden. Von Christophe Pitoiset. Dieselbe Präzision kennzeichnet die Umsetzung der Bühnenbewegungen und den stets logischen und überraschenden Übergang von einem Ort zum anderen. Auch wenn sie von denselben Sängern interpretiert werden, sind die verschiedenen Charaktere durch ihr Kostüm oder ihre Haltung immer gut charakterisiert. Abschließend fügen sich die introspektiven Monologen des Hauptprotagonisten, des Schriftstellers Gustave von Aschenbach, in dieser Szenenfolge ein und finden selbstverständlich ihren Platz im kahlen Raum der ersten Szene, der nur vom begleitenden Klavier eingenommen wird. Für dieses Werk mit einer so heiklen Bühneninszenierung kann man sich keinen überzeugenderen Vorschlag vorstellen.
Die vorgeschlagenen Gedankengänge sind vielfältig und in der Tiefe fruchtbar. Gustav von Aschenbach ist wie Thomas Mann ein uninspirierter alter Schriftsteller, der sich hier in seinen coolen Baba-Tendenzen (Kostümen) und seinen Süchten (Alkohol und Drogen) verliert. Er kommt in eine Klinik, um seine tiefe Depression und seine Selbstmordtendenzen zu behandeln. Die Reise nach Venedig wird nur gedanklich sein, angedeutet durch die Wasservideos der Straßburger Kanäle und des „Klein-Venedigs“ von Colmar oder das Canaletto-Gemälde, das er im örtlichen Museum der schönen Künste betrachten konnte. Es ist auch eine Gelegenheit, Bilanz über ein dem Schreiben gewidmetes Leben zu ziehen, über künstlerisches Schaffen nachzudenken (Apollo oder Dionysos?) und Erinnerungen loszulassen. Wenn Tadzio als Kind und dann als Teenager Aschenbach so heftig verführt, dann deshalb, weil sie nur er im gleichen Alter sind, umgeben von seiner Mutter, immer präsent in seinem Bett. In dieser schwindelerregenden und fast faustischen Suche nach der vergangenen Jugend werden auch die verlorene Unschuld der Kindheit und die schnell verdrängten homosexuellen Versuchungen der Adoleszenz beschworen. Aber abgesehen von der Epidemie ist er wütend, und im zweiten Akt tauchten Gesichtsmasken auf, die nicht der realen Situation entsprachen. Schnell anekdotisch zieht sich ein letzter roter Faden durch die ganze Show. Bei der Eröffnung wartete der Verleger Gustav von Aschenbachs vergeblich auf die Vorstellung seines Buches mit dem Titel „Maya“ (auch im zweiten Kapitel von Thomas Manns neuer Kurzgeschichte erwähnt). Am Ende, als Aschenbach lächelnd in seinen Erinnerungen, zwischen seinen Büchern und seinen Kindheitsspielzeugen starb, zerrissen alle diese mit dem „Venedig-Preis 2021“ gekrönten Roman…
Toby Spence ist ständig auf der Bühne präsent und übernimmt die zentrale Rolle des Gustav von Aschenbach, der bei der Premiere für den geliebten Peter Pears schreibt. Er verfügt über Bühnenpräsenz und stimmliche Statur und spielt problemlos mit der Komplexität von Benjamin Brittens Texten. Noch erstaunlicher ist, dass Scott Hendricks die sieben Inkarnationen von Evil or Evil (und, in einem humorvollen Instinkt, auch die Rolle des Herausgebers) mit beeindruckender Geschicklichkeit und Intensität ausstattet, selbst in einer köstlichen Drag-Queen-Verkleidung. Ganz in Gold gehüllt sorgt Jake Arditti in La Voix d’Apollon mit seinem unwirklichen und kontrastreichen Ton für Aufruhr und Beschwörung der Antike (oder zumindest einer vergangenen Ära). In einigen Zeilen gelingt es Laurent Deleuil auch, seinen verschiedenen Inkarnationen Tiefe und Präsenz zu verleihen. Die vielen anderen Sänger des Opernstudios oder des Chors der Opéra National du Rhin zeigen alle Überzeugung und Exzellenz in ihrem wesentlichen Beitrag zum Erfolg des Ganzen.
Unter der Leitung von Jacques Lacombe, seinem musikalischen und künstlerischen Leiter, stellt das Orchester symphonique de Mulhouse seine inzwischen erlangte Präzision und Konsequenz unter Beweis. Die Komplexität der Instrumentalgesetze, die besondere Exponiertheit der Solisten, die Finesse des Orchesterarrangements stellen keine Schwierigkeiten für eine Interpretation dar, bei der das Schlüsselwort vollkommene Fließfähigkeit bleibt. Der Chor der Opéra national du Rhin singt abseits der Bühne, was seinen Interventionen keineswegs schadet, sonder einen geheimnisvollen, traumhaften und sogar bezaubernden Charakter verleiht.
Bildnachweis: Jake Arditti (The Voice of Apollo) / Toby Spence (Gustav von Aschenbach), Mathis Spolverato (Jaschiu), Nathan Laliron (Tadzio als Teenager) © Opéra National du Rhin
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Straßburg. Rheinische Nationaloper. 10. und 12. IV. 2021. Benjamin Britten (1913-1976): Tod in Venedig, in zwei Akten nach einem Libretto von Myfanwy Piper, basierend auf Thomas Manns Roman Der Tod in Venedig. Regie, Bühnenbild und Kostüme: Jean-Philippe Clarac und Olivier Deloeuil. Zusammenarbeit bei Beleuchtung und Szenografie: Christophe Pitoiset. Video: Pascal Boudet. Dramaturgie: Luc Bourrousse. Darsteller: Toby Spence, Gustav von Aschenbach; Scott Hendricks, der Reisende / der alte Dandy / der alte Gondolier / der Hotelmanager / der Hotelfriseur / der Kopf der Balladen / die Stimme des Dionysos; Jake Arditti, Die Stimme von Apollo; Peter Kirk und Curtain; Laurent Deleuil, der English Reiseagent / ein Steward / u Boat Lido / u Kellner; Julie Goussot, die französische / englische / Erdbeerverkäuferin / Spitze / Baladine; Dragos Ionel, der polnische Vater / der russische Vater / der Kellner / ein Gondoliere / der Priester; Damian Arnold, ein amerikanischer Glasbläser / u / ein Gondolier / u Baladin; Elsa Roux Chamoux, die französische Mutter / die russische Mutter / die Bettlerin; Eugenie Joneau, deutsche Mutter/dänische Ehefrau/Zeitungshändlerin; Damien Gastl, Deutscher Vater/Führer; Sebastien Park, ein Amerikaner/Gondolier; Violeta Poleksic, das russische Kindermädchen; Victor Chudzic, Kind von Tadzio; Nathan Laliron, Teenager von Tadzio. Chor der Opéra national du Rhin (Chormeister: Alessandro Zuppardo), Orchestre symphonique de Mulhouse, Dirigent: Jacques Lacombe Show ohne öffentliche Übertragung auf dem Kanal Via Vosges und auf dem Gelände der Opéra du Rhin
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